Kirchboot-Tour in Brandenburg

30. Mai - 2.Juni 2019

MRSV-ler*Innen mit dem Kirchboot auf Gewässern rund um Brandenburg

Die Ankündigung kam Ende 2018 mit dem Rudertourenprogramm 2019 und sorgte für hektisches Anmelden bei unserem Fahrtenleiter Marc, um einen der begehrten 14 Ruderplätze zu bekommen.

Grund: Eine Ruderwanderfahrt auf der Havel mit dem Kirchboot des Spandauer RC Friesen.

Exkurs: Ein Kirchboot ist ein spezielles Ruderboot in Holzklinkerbauweise, das je nach Länge von 8 bis 14 Personen und einem Steuermann/Steuerfrau gerudert wird. Kirchboote stammen ursprünglich aus Finnland, wo sie im 17. Jahrhundert in Anlehnung an die legendären Langboote der Wikinger, erstmals gebaut wurden. Sie dienten vorzugsweise als Transport- und Verkehrsmittel zwischen einzelnen Kirchengemeinden bzw. Dörfern. Der Name „Kirchboot“ lässt sich aus der Förderung durch die Kirche zum Bau der Boote und aus der Nutzung durch die Dorfgemeinde für Fahrten zum sonntäglichen Kirchgang ableiten. Die Heimfahrten vom Gottesdienst wurden traditionell als Wettrudern zwischen den Gemeinden ausgetragen (Quelle: wikipedia)

Die heutigen Kirchboote fallen mit einer Bootslänge bis 12 Meter, einer Breite bis 1,95 m und einem Leergewicht von ca. 350 kg wesentlich kleiner aus als ihre Urahnen. Trotz seiner Länge ist ein Kirchboot wendig und schnell und kann kurzfristig bis auf ca. 20 km/h beschleunigt werden sowie eine Dauergeschwindigkeiten von 12 bis 16 km/h erreichen.

Anreisetag: „Stapellauf“

Nachdem in 2018 den Spuren der Wikinger in Irland gefolgt wurde, lag heuer das Bootsmaterial der Wikinger in etwas kleinerer Ausführung vor den MRSVlernInnen auf dem Hänger. Gewohnheitsmäßig holt der/die RudererIn das Boot aus der Halle oder vom Bootshänger und bringt es über einen Steg ins Wasser. Dies geht bei einem Kirchboot nicht ganz so einfach. Größe und Gewicht erfordern eine Sliprampe und ein wenig Erfahrung im Umgang mit überlangen Anhängern.

Max meisterte mit Bravour die Enge auf dem Vereinsgelände des RC Havel Brandenburg und bugsierte den Hänger mit Boot zielgenau ins Wasser. Mit einem satten Platsch tauchte das vom Hänger lösgelöste Boot ins Wasser. Die Freude über den gelungenen Stapellauf stand allen TeilnehmernInnen ins Gesicht geschrieben, als sie die erste abendliche Genußrunde in der Werft in Angriff nahmen.

Rudertag 1: „Der Herrentag“

Gutgelaunt und gut eingecremt fanden sich die MRSVlerInnen am nächsten Morgen zur ersten Tagestour am Steg des RC Havel ein. Erste Fragen tauchten auf: Wer teilt sich mit wem die Schulter? Wer bildet das Schlagpaar? Wer steuert? Letztere Frage war schnell geklärt, weil sich unser Fahrtenleiter Marc dieser bis dato unbekannten Aufgabe stellte und Karina und Anke zum Schlagfrauenpaar gekürt wurden.

 

Denn das ist die zusätzliche Besonderheit beim Kirchboot. Ähnlich wie bei einer Ruderbarke sitzen immer zwei RudererInnen nebeneinander, nur mit erheblich mehr „Schulterschluss“, weil der barkentypische Mittelgang fehlt.

Nach einer kurzen Einruderphase, kam die erste Steueraufgabe: eine 135° Wende von einem schmalen Gewässer ins ebenso schmale Fahrwasser der Stadthavel, kurz aufstoppen, kurze Unsicherheit der Crew: wer rudert vorwärts, wer rückwärts? Aber schnell war die Unsicherheit vorbei und zack, zack war das Boot gewendet.

Hinaus ging die flotte Fahrt auf den Beetzsee vorbei an der Regattastrecke mit Ziel Bollmansruh. Der Schiebewind tat ein Übriges und schon folgte auf ein bekanntes Kommando ein unbekanntes: „Ruder halt, Fertigmachen zum Einschlaufen, Schlauft ein“.

Ungläubige Gesichter, doch dann kam das Aha-Erlebnis: jeder Riemen kann mit einem vor dem Stemmbrett befestigten langen Gurt so fixiert werden, dass die Blätter über dem Wasser schweben und die „Schiebefahrt“ nicht gebremst wird, sondern die Riemenblätter zusätzlich als Segelfläche dienen. Ein erster Schluck gegen den Durst leert bei 14 Mündern eine Flasche zügig…und nach dem „Ausschlaufen“ wechselten See- und Schilfblick bis zur Mittagspause in Bollmannsruh.

 

Die Ankündigung des Servicepersonals, Essen dauere mindestens 1 Stunde, beschränkte die Essenswahl aller MRSVlerInnen auf Suppe, Salat und Flammkuchen. Dies erwies sich für die Rückfahrt von Vorteil, weil voller Bauch nicht gerne rudert. Zudem führte der jetzt herrschende Gegenwind dazu, dass „Einschlaufpausen“ nur im Schilf-Lee bzw. in einer Marina möglich waren, trotz etwas zu kurzer Parkbuchten für unser Boot.

Eiskaffegestärkt wurden die letzten Kilometer in Angriff genommen. Erstaunen bei Karina und Anke, dass auch Herren, bei pausenlosem Themenwechsel, andauernd ratschen können.

Kurz vor Ende noch eine kleine Trainingseinheit: 1000 m Spurt im Albano-System markierten Fahrwasser der Regattastrecke. Nach dem Festmachen Abendausklang im Herzschlag mit dem Lieblingsessen von Rolf: „Tote Oma“… Rezept im Internet nachlesbar.

Rudertag 2: „Entspannungsrudern“

Heute mit neuem Schlagpaar (hin: Conny und Jutta; rück: Conny und Marc) kurzer Törn vom RC Havel über Brandenburger Niederhavel via Breitlingsee und Plauer See zum Möserscher See und zurück. Glattes Wasser auf den ersten Havel-Kilometern, Reiher bedingt mit zahlreichen „Ahs“ und „Ohs“, bevor uns nach der Mündung der Havel in den Breitlingsee Schaumkronen begrüßten. Gefühlte 6-7 Bft. und daher allgemeine Freude über unser seegängiges „Dickschiff“. Mittagspause beim Kirchmöser Kanuheim bei Bockwurst/Schnitzel mit Kartoffelsalat und Gerstensaftkaltschale. Entspannte Rückfahrt mit vollen Bäuchen unter eingeschlauften Riemen.

Jutta steuert uns gekonnt um Inselspitzen und über Flachwasser hin zur Havelmündung. Dort heißt es wieder Ausschlaufen und retour nach Brandenburg.

Vor Fahrtende noch eine geruhsame Schleusung und Fahrt durch den Stadtgraben zum Liegeplatz am Mühlendamm. Kleiner Absacker mit Berliner Weiße Rot/Grün im Casino vom RC Havel vor dem italienischen Abend.

Rudertag 3: „Natur pur“

Heute langer Törn durch die Natur von Brandenburg über den Emster Kanal hin zum Kloster Lehnin. Ausrüstung: neben Sonnencreme ausreichend Autan oder Anti-Brumm. Schon auf dem Weg zum Abzweig des Emster Kanals Natur links und rechts. GPS sei Dank findet Marc die Abzweigung und binnen kürzester Zeit tauchen wir in einen Urwald aus Erlen, Eichen und Weiden und schilfreiches Kanalufer ein.

Die ersten Seerosenfelder gleiten an den Riemenblättern vorbei: „Ahhh“, es folgen Teichrosen: „Ohhhh“ und eine Männerstimme weist auf den Froschschutz hin: „Uihhh“. Erste Mückenattacken führen zu leicht asynchronem Ruderschlag und noch kein Kanalende in Sicht. Nach einer Fischreusen Links-Rechts-Kombination kurze Entwarnung auf dem Rietzer See - mit Fahrwassertonnen!

Wieder schnurgerader Kanal, weiterhin eng. Das Ausweichen wird zur Millimeterarbeit. Der Netzener See weitet wieder den Blick und das Ufer ist von riesigen Rhododendron-Büschen gesäumt: „Ohhhh“. Das Ziel vor Augen weckt den Sportsgeist. Wie schnell ist eigentlich unser Boot? Also: Druckspurt und Sönke sagt an: 10, 12, 14,5, 15 und Höchstgeschwindigkeit mit 16,4 km/h.

Wir rauschen in den nächsten Kanal und es wird eng, sehr eng. Mit Riemen lang unterqueren wir die A2, führen ein emotionales Wortduell mit einer Motorbootbesatzung über Vorfahrtsregeln (auf Wiedergabe des Originalwortlauts wird lieber verzichtet). Einfahrt in den Klostersee. Bewundernde Blicke begleiten uns bis zum Ende unseres eleganten Anlegemanövers. Lunch-Pause ...

... und Sightseeing im Kloster Lehnin.

Ausspannen vor der Rückfahrt, die genauso eindrucksvoll verläuft (Ahhh, Ohhh, Uiiihh, Autan und Anti-Brumm). Die Begegnungen mit Motorbooten verlaufen weiterhin angespannt.

Ankunft an unserem Liegeplatz am Mühlendamm. Die Mannschaft ist müde, aber trotzdem glücklich und gesättigt von „natürlichen Erlebnissen“. Abschlussessen in der Werft, lecker!

Rudertag 4: „Auswassern“

Das Ende der Tour ist in Sicht. Unser Boot muss für den Rücktransport nach Spandau wieder auf seinen Hänger. Also Kurzfahrt durch den Stadtkanal und Schleuse hin zur Slipanlage. Dort warten bereits Max mit Fahrtenleiter Marc.

Das Auswassern gelingt nicht ganz reibungslos und fordert leider ein Opfer: Marc's Knie bzw. Kreuzband. Betroffenheit darüber in der Rudergruppe, dennoch liegt unser Kirchboot am Ende wieder sicher und trocken auf dem Hänger. Schön wars, und Marc's Kreuzband ist vor einer neuen Tour nächstes Jahr sicher wieder ganz. Wir freuen uns auf die nächste Kirchboot-Tour. Gute Besserung Marc.

Es grüßen Anke, Barbara, Karina, Jutta, Jürgen, Rolf, Thomas (2x), Inge und Max, Isolde und Klaus, Angela und Sönke und last but not least Conny

Bericht: Thomas Bör

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